Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug – und dann ??
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen bei Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit längstens für 78 Wochen (innerhalb von drei Jahren) Krankengeld. Die Beendigung der Krankengeldzahlung nach 78 Wochen wird als "Aussteuerung" bezeichnet.
In vielen Fällen, fordert die Krankenkasse die Versicherten auch noch vor Auslaufen des Krankengeldanspruches auf, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen.
Was aber, wenn die Arbeitsunfähigkeit über die Aussteuerung hinaus noch besteht und über den Rentenanspruch noch nicht entschieden wurde? Viele erkrankte Beschäftigte finden sich dann im Behördenkarussell zwischen Krankenkasse - Bundesagentur für Arbeit - Jobcenter – Sozialamt – Rentenversicherung wieder.
In den meisten Fällen informiert die Krankenkasse die arbeitsunfähigen Versicherten mit Auslaufen des Krankengeldanspruches darüber, dass sie sich zur Vermeidung von Nachteilen, unbedingt bei der Bundesagentur für Arbeit melden sollen.
Die betroffenen Versicherten sprechen bei der Bundesagentur für Arbeit vor und erklären dort, dass sie nach wie vor arbeitsunfähig sind. Geraten sie an den falschen Sachbearbeiter, unterstellt dieser, es läge keine Verfügbarkeit vor, da sich der /die Versicherte nicht der Vermittlung zur Verfügung stelle. Arbeitslosengeld könne daher nicht gezahlt werden.
Betroffene drohen dann in eine Lücke in unserem sozialen Netz zu fallen. Ihnen fehlt nicht nur ihr Einkommen, sie können auch ihren Krankenversicherungsschutz verlieren.
Sofern man davon ausgeht, aufgrund der Erkrankung nicht mehr seinen Job ausüben zu können, sollte man beim zuständigen Rentenversicherungsträger einen Antrag auf medizinische und/oder berufliche Rehabilitation (Teilhabeleistung) stellen. Es gilt nach wie vor der Grundsatz Reha vor Rente.
Die drohende Lücke kann dann durch das Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit (§ 145 SGB III) geschlossen werden. Hierbei handelt es sich um eine besondere Form des Arbeitslosengeldes, welches bis zu einer nachfolgenden Leistung (in der Regel einer EM- Rente) gezahlt wird, weshalb man auch von einer "Nahtlosigkeitsregelung" spricht.
Während des Leistungsbezugs besteht die Krankenversicherung fort. Die Beiträge hierfür werden von der Bundesagentur getragen. Die Nahtlosigkeitsleistung muss so lange gewährt werden, bis eine rechtskräftige Entscheidung des Rentenversicherungsträgers zur Erwerbsfähigkeit vorliegt. Voraussetzung ist natürlich, dass noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht. Ansonsten ist zu prüfen, ob ein Anspruch auf SGB II Leistungen besteht, dann ist das Jobcenter zuständig.
Die Versicherten sind nicht verpflichtet, sich uneingeschränkt der Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Sie müssen sich nur mit ihrem individuellen Restleistungsvermögen zur Verfügung stellen. Ein konkreter Umfang des Restleistungsvermögens muss nicht angegeben werden – solange das Verfahren bei der Rentenversicherung noch läuft - also insbesondere auch während eines anhängigen Widerspruchs oder Klageverfahrens.
Auch sind sie während eines anhängigen EM-Rentenverfahrens nicht verpflichtet, bei ihrem Arbeitgeber vorzusprechen und diesen prüfen zu lassen, ob eine Beschäftigung möglich ist. Immer wieder fordern einzelne Bundesagenturen dazu auf. Auch wenn es grundsätzlich anzuraten ist, bei langer Arbeitsunfähigkeit, den Kontakt zum Arbeitgeber aufrecht zu erhalten, besteht keine Mitwirkungspflicht dergestalt, beim Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz einzufordern.
Auch muss das Arbeitsverhältnis nicht beendet werden, um Arbeitslosengeld zu erhalten. Wenn der Arbeitgeber keine leidensgerechte Beschäftigung anbieten kann, wird er dies auf Nachfrage der Bundesagentur bestätigen. Das Arbeitsverhältnis ruht während der Nahtlosigkeitsleistung.
Die Gesetze regeln das soziale Netz – in der Regel ohne Lücken, aber die Behörden verstricken sich nicht selten in diesem Dschungel – erst recht die betroffenen Versicherten.
Ich wünsche Ihnen zum Jahresende, dass Sie sich nicht verirren und Hilfe finden, falls es doch zu dunkel wird im Wald… Bleiben Sie gesund und kommen Sie gut in ein hoffentlich für uns alle leichteres und helleres 2022!
Constanze Würfel
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht