Behinderte Menschen im Spannungsfeld von Arbeitslosen- Kranken- und Rentenversicherung
Immer wieder stellt sich für Arbeitslose, die unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, die Frage, ob sie beim Jobcenter oder der Bundesagentur für Arbeit eigentlich richtig sind und welche Leistungsansprüche sie haben. Denn häufig ist gerade eine Behinderung der Grund für den Umstand, dass die Betroffenen keine leidensgerechte Arbeit finden. Entweder die Arbeitsagenturen bzw. Jobcenter resignieren und fördern in keiner Weise die Aufnahme einer leidensgerechten Beschäftigung oder aber es wird versucht über gutachterliche Stellungnahmen oder über das Instrument der Mitwirkungsaufforderung die Betroffenen aus dem Leistungsbezug zu drängen. Beides ist nicht im Interesse der behinderten Menschen und stellt schlicht eine Diskriminierung dar. Leistungsberechtigt nach dem SGB III (Arbeitslosengeld I) und nach dem SGB II (Harzt IV) ist, wer sich dem Arbeitsmarkt der Vermittlung zu Verfügung stellt. Was aber, wenn eine psychische Beeinträchtigung vorliegt, die es dem arbeitslosen behinderten Menschen nicht ermöglicht, vollschichtig zu arbeiten? Es ist völlig offen, in welchem zeitlichen Umfang noch ein Restleistungsvermögen besteht. Die Betroffenen wissen es schlicht selbst nicht. Mehrere Arbeitsverhältnisse scheiterten bereits und nach langer Arbeitsunfähigkeit ist das Selbstvertrauen am Boden. Leider zwingen die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen bzw. der Jobcenter die Betroffenen oft, eine konkrete Aussage dahingehend zu machen, in welchem Umfang sie sich denn nun der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen. Erklärt der Arbeitslose, er sehe sich weder in der Lage eine vollschichtige, noch irgendeine nur wenige Stunden umfassende Arbeit aufzunehmen, werden die Leistungen mit der Begründung eingestellt, der Arbeitslose stelle sich der Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu Verfügung. In den allermeisten Fällen, ist diese Entscheidung falsch. Steht zur Frage, ob der Arbeitslose ggf. erwerbsgemindert ist, weil er bsp.weise die zuletzt von ich ausgeübte Tätigkeit nicht mehr vollschichtig verrichten kann, so ist dies über den Rentenversicherungsträger zu überprüfen. In den meisten dieser Fälle ist anzuraten, beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Gewährung von Teilhabeleistungen zu beantragen, die ermöglichen, wieder eine Beschäftigung aufzunehmen. Solange vom Rentenversicherungsträger noch keine rechtskräftige Entscheidung zur Frage vorliegt, ob der gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitslose noch erwerbsfähig ist, erhält dieser sogenannte Nahtlosigkeitsleistungen. D.h., auch, wenn sich der Arbeitslose nur eingeschränkt der Vermittlung zur Verfügung stellt, müssen ihm SGB II oder SGB III Leistungen weiter gewährt werden. Er muss sich lediglich mit seinem Restleistungsvermögen der Vermittlung zur Verfügung stellen. Wie dies konkret ausgestaltet ist, ist völlig offen. Aber Vorrang hat hier die Feststellung des Rentenversicherungsträgers zu Frage der Erwerbsfähigkeit. Wird bsp.weise festgestellt, dass nur noch ein Leistungsvermögen von unter 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht, ist eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren. Wird hingegen ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt, in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit aber nur noch ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden, dann steht dem Betroffenen zum einen ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber dem Rentenversicherungsträger zur Seite und zum anderen steht die Frage, für welche Tätigkeiten er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt. Hier sollte genau überlegt werden, für welchen zeitlichen Umfang und für welche Tätigkeiten sich der Vermittlung zur Verfügung gestellt wird. Denn dies ist entscheidend für die Leistungsansprüche.
In keinem Fall ist es richtig, bsp.weise eine SGB II Leistungsempfängerin eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln, die im konkreten Fall nicht leidensgerecht ist. Eine solche Arbeit ist nicht zumutbar und kann ohne Konsequenzen hinsichtlich des Leistungsanspruches abgelehnt werden. Betroffene werden oft im Spannungsfeld zwischen Arbeitslosen-/Renten-Krankenversicherung zerrieben. Das muss nicht sein. Eine anwaltliche Beratung bringt hier oft Licht in die schwierige Abgrenzung der einzelnen sozialrechtlichen Leistungsansprüche. Und die Entwicklung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf dem immer mehr Arbeitskräfte fehlen, lässt hoffen, dass auch gesundheitlich eingeschränkte Arbeitnehmer mit Entwicklungspotential als Gewinn für Arbeitgeber in den Focus rücken und nicht als schwierige Last. Wir alle haben Beeinträchtigungen. Es kommt auf die Sicht an. Wir alle haben auch Stärken. Diese gilt es zu fördern. Denn nach wie vor sollte der Grundsatz fördern vor fordern gelten.
Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht