Beratungspflicht der Bundesagentur für Existenzgründer

Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 04.09.2013, Az.: B 12 AL 2/12 R die Hinweispflichten der Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang mit der Beantragung eines Gründungszuschusses konkretisiert. In den verschiedenen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung. Diese ist aber häufig antrags- und fristgebunden. Mit Wirkung zum 01.01.2006 wurde u.a. für Existenzgründer ein Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag eingeführt. Hierfür galt zunächst eine Antragsfrist von 1 Monat (nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, für die ein Gründungszuschuss beantragt wurde). Mit Wirkung zum 01.01.2011 wurde die Antragsfrist auf 3 Monate verlängert. In dem dem BSG vorliegenden Fall hatte die Klägerin, eine arbeitslose Textilbetriebswirtin, eine selbständige Tätigkeit aufgenommen, indem sie ein Wäschehaus eröffnete. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte ihr hierfür einen Gründungszuschuss. Zuvor hatte die Arbeitslose bei der Bundesagentur zwei Beratungsgespräche geführt, in denen es um die Gewährung eines Gründungszuschusses ging. Ihr wurde das Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit „Gründungszuschuss“ ausgehändigt. Zu diesem Zeitpunkt enthielt dieses Merkblatt keine Hinweise zu einer Frist, innerhalb der ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung zu stellen ist. Die Klägerin hatte erst nach Ablauf der damals geltenden Monatsfrist den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung gestellt. Die Bundesagentur lehnte diesen Antrag wegen der verstrichenen Antragsfrist ab. Hiergegen richtete sich die Klage. Die Klage war letztlich erfolgreich. Das BSG bejahte einen sogenannten „sozialrechtlichen Herstellungsanspruch“, nachdem die Klägerin so zu stellen ist, als hätte sie den Antrag fristgerecht gestellt. Das BSG stellte fest, dass die Klägerin auf ihren Antrag hin mit Aufnahme ihrer Selbständigkeit versicherungspflichtig ist. Die Bundesagentur habe ihre behördlichen Beratungs- und Betreuungspflichten verletzt, indem sie die Klägerin im Zusammenhang mit der Existenzgründung nicht auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung, das Antragserfordernis und die Fristgebundenheit des Antrages hingewiesen hat. Es bestehe eine Verpflichtung zur „Spontanberatung“ (ohne konkrete Nachfrage des Versicherten) immer dann, wenn dem jeweiligen Mitarbeiter der Behörde eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre. Diese Entscheidung des BSG wird sicher auch auf analoge Fälle in anderen Sozialversicherungszweigen angewandt werden, in denen es darum geht, ob eine Beratungspflicht für die Behörde besteht und ob sich daraus sozialrechtliche Herstellungsansprüche für die betroffenen Versicherten ergeben. Eine Frist kann letztlich nur eingehalten werden, wenn sie auch bekannt ist – das setzt eine Beratung voraus, Beratung von denjenigen, die sich damit auskennen müssten. Insofern finden die Juristen, wie man an dem geschilderten Fall sieht, immer wieder eine Möglichkeit, wie man doch noch zu seinem Recht kommt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Sommer!

Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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