Berufsunfähigkeitsrente für Einmann-Betriebe

Nur noch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, haben gegen die gesetzliche Rentenversicherung Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wenn sie in dem bisherigen Beruf, und in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit nur noch weniger als 6 Stunden täglich arbeiten können. Steht ihnen kein leidensgerechter Teilzeitarbeitsplatz zur Verfügung, erhalten sie eine volle EM-Rente (sog. Arbeitsmarktrente). 

Viele der Versicherten, die nach dem 02.01.1961 geboren sind, haben daher für das Risiko, gesundheitsbedingt nicht mehr im zuletzt ausgeübten Beruf tätig sein zu können, eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Bei Selbstständigen stellt die Versicherung oft sehr hohe Anforderungen an die Berufsunfähigkeit. 

Das zeigt z.B. der Fall eines Inhabers eines kleinen Restaurants bzw. Imbisses. Dem gelernten Konditor gehörte seit 1983 ein Restaurant/Imbiss. Dort arbeitete er in der Küche als Koch mit einem Zehn-Stunden-Tag. Im Service unterstützte ihn eine Halbtagskraft. 2007 wurde er berufsunfähig, nachdem ihm u.a. mehrere Stents eingesetzt wurden. Die Versicherungsgesellschaft, mit der er einen privaten Vertrag unterhielt, lehnte jedoch die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab. Er könne Personal einstellen und seinen Betrieb entsprechend umorganisieren. Im Zweifel könne er auch wieder als Konditor arbeiten. 

Das OLG Koblenz erteilte dieser Auffassung bereits 2012 eine Absage. 

Als Einmann-Unternehmen würden auch Firmen gelten, in denen „ein Mann“ von ein oder zwei Hilfskräften unterstützt wird. In der Regel hätten solche Inhaber einen Arbeitstag von über 10 Stunden. Im vorliegenden Fall stand für das Gericht fest, dass „ein Gastwirt, der selbst kocht, einkauft, zusätzlich bei der Bedienung hilft und auch die Reinigung seiner Gerätschaften selbst vornimmt“, seine Gastwirtschaft nicht allein vom Büro aus leiten kann. Die anderen Tätigkeiten könne der Mann jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausführen. 

Eine Umorganisation würde bedeuten, dass Personal eingestellt werden muss. Nach Einstellung eines Koches sei es jedoch in vorliegendem Fall nicht mehr möglich, die Gaststätte wirtschaftlich zu betreiben und ein hinrei-chendes Einkommen für den Inhaber zu erwirtschaften. 

Übersteigen die möglichen Personalkosten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, müsse der Betrieb nicht umorganisiert werden. Das Gericht lehnte auch ab, dass der Mann nach 25 Jahren wieder als Konditor 

arbeiten muss. Schließlich habe sich im Laufe dieser Jahre die Technik in der Backstube erheblich verändert. 

Das Gericht verpflichtete die Versicherung zur Zahlung der begehrten Berufsunfähigkeitsrente (OLG Koblenz, 1. Juni 2012, AZ: 10 U 960/11). 

Auch für Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist diese Entscheidung relevant. Auch hier stellt sich eine ähnliche Frage, nämlich ob und wie die Berufsgenossenschaft den Versicherten dabei unterstützt, den bisherigen Einmann-Betrieb fortzuführen. Unter Umständen kann die Unterstützung darin liegen, eine Hilfskraft zu finanzieren, die die Tätigkeiten erbringt, die dem Versicherten unfallbedingt nicht mehr möglich sind. 

Diese Probleme zeigen, Solo-Selbständige haben es nicht nur aktuell pandemiebedingt äußerst schwer. Umso wichtiger ist es, eine gute Vorsorge hinsichtlich der Risiken, die mit einer Krankheit einhergehen, zu treffen und sich bei der Durchsetzung von Ansprüchen rechtlichen Beistand zu holen. 

Constanze Würfel 

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht 

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