Blindengeld auch für an Alzheimer Erkrankte

Bereits 2015 hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass auch schwerst Hirngeschädigte, die nicht sehen können, Anspruch auf Blindengeld haben (vgl. Aktenzeichen: B 9 BL 1/14 R ). Der damals 10-jährige Kläger erlitt bei seiner Geburt (2005) wegen einer Minderversorgung mit Sauerstoff schwerste Hirnschäden, die unter anderem zu einer schweren mentalen Retardierung mit Intelligenzminderung geführt haben. Der Entwicklungsstand des Klägers entsprach nur dem eines ein- bis viermonatigen Säuglings. Seine kognitive Wahrnehmungsfähigkeit war im Bereich aller Sinnesmodalitäten stark eingeschränkt. Die Mutter des Klägers hatte für ihren Sohn Blindengeld beantragt. Das war abgelehnt worden. Zwar liege beim Kläger eine schwerste Hirnschädigung vor, jedoch sei das Sehvermögen nicht wesentlich stärker beeinträchtigt als die übrigen Sinnesmodalitäten. Dies aber sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur sogenannten cerebralen Blindheit Voraussetzung für die Gewährung von Blindengeld. Bis dahin wurde für den Nachweis einer schweren Störung des Sehvermögens verlangt, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten. Da das Kriterium einer spezifischen Sehstörung sich nicht als praktikabel erwies, gab das BSG diese Rechtsprechung mit v.g. Entscheidung auf. Der 9. Senat sah unter dem Aspekt der Gleichbehandlung behinderter Menschen vor dem Gesetz keine Rechtfertigung mehr, für dieses zusätzliche Erfordernis. Letztlich gibt es keinen sachlichen Grund dafür, dass zwar derjenige Blindengeld erhalten soll, der "nur" blind ist, nicht aber derjenige, bei dem zusätzlich zu seiner Blindheit noch ein Verlust oder eine schwere Schädigung des Tastsinns oder sonstiger Sinnesorgane vorliegt. Nun hat der 9. Senat des Bundessozialgerichts am 14. Juni 2018 (Aktenzeichen: B 9 BL 1/17 R) in einem anders gelagerten Fall erneut entschieden, dass auch schwerst Hirngeschädigte, die keine visuelle Wahrnehmung haben, grundsätzlich Anspruch auf Blindengeld haben können. Die Klägerin litt an einer schweren Alzheimer-Demenz und kann deshalb Sinneseindrücke kognitiv nicht mehr verarbeiten. Das beantragte Blindengeld lehnte der Beklagte ab. Das Bundessozialgericht hat den Rechtsstreit zwar an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zur Sache hat es aber ausgeführt, dass bei cerebralen Störungen Blindheit auch anzunehmen ist, wenn der Betroffene nichts sieht, obwohl keine spezifische Sehstörung nachweisbar ist. Liegt Blindheit vor, wird Blindengeld zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen als Pauschalleistung erbracht. Kann ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes aber gar nicht erst entstehen, wird ggf. der Zweck des Blindengelds verfehlt. Ob hier ein solcher Ausschlussgrund zum Tragen kommt, hat die Vorinstanz noch festzustellen und abschließend zu prüfen.

Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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