BSG stellt klar: Eine Obliegenheit des Arbeitnehmers zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei seiner Krankenkasse besteht ab 01.01.2021 grundsätzlich nicht mehr.

In einem Streit vor dem Bundessozialgericht (BSG) stand das Ruhen des Krankengeldanspruchs, wenn in 2021 weder der Versicherte seine Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse gemeldet noch der Vertragsarzt die Arbeitsunfähigkeitsdaten der Krankenkasse elektronisch übermittelt hat. Der Vertragsarzt hatte mitgeteilt, dass man aufgrund verspäteter Einführung der erforderlichen Telematikinfrastruktur dem Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Weiterleitung an die Krankenkasse ausgehändigt habe.

Das BSG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen, die dem Kläger das Krankengeld zugesprochen hatten und wies die Revision der beklagten Krankenkasse als unbegründet zurück. Zutreffend hätten die Vorinstanzen entschieden, dass der Anspruch des Klägers auf Krankengeld nicht ruhte und er Krankengeld beanspruchen kann, weil mit gesetzlicher Einführung der unmittelbar elektronischen Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkasse durch den Vertragsarzt zum 1. Januar 2021 die Obliegenheit Versicherter zur Meldung einer vertragsärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit entfallen ist.

Der Anspruch Versicherter auf Krankengeld ruhe auch dann nicht, wenn durch den Vertragsarzt entgegen seiner seit 1. Januar 2021 gesetzlich begründeten Pflicht die unmittelbar elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkasse nicht erfolgt.

Die Vertragsärzte und Einrichtungen sind ab dem 01.01.2021 gemäß § 295 Abs 1 S 1 SGB V zur Übermittlung der von ihnen festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkasse verpflichtet. Eine Obliegenheit des Arbeitnehmers bestehe daher nicht mehr.

Nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung ruht der Krankengeldanspruch, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Zum Ruhen kommt es dagegen nach dem Wortlaut nicht, wenn u.a. die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten durch die Vertragsärzte im elektronischen Verfahren nach der ab dem 01.01.2021 gesetzlich zwingend vorgesehenen Regelung des § 295 Abs 1 SGB V erfolgt.

Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG, wonach die Meldeobliegenheit ausnahmsweise dann nicht zu Lasten der Versicherten eingreift, wenn die rechtzeitige Arbeitsunfähigkeitsmeldung durch Umstände verhindert oder verzögert wird, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind und auf von der Krankenkasse zu vertretenden Organisationsmängeln beruhen. Die verspätete Einführung der erforderlichen Telematikinfrastruktur sei solch ein außerhalb des Verantwortungsbereichs der Versicherten liegender Umstand (vgl. auch SG Dresden, Urteil vom 28.03.2022, S 45 KR 575/21).

Etwas anderes ergäbe sich deshalb entgegen der Auffassung der beklagten Krankenasse auch nicht daraus, dass die behandelnden Ärzte dem Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Weiterleitung an die Krankenkasse überreicht haben. § 73 Abs 2 S 1 Nr. 9 SGB V bestimme, dass die Bescheinigung bei einer Arbeitsunfähigkeit vom Vertragsarzt auch dann auszustellen ist, wenn die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Abs 1 S 1 Nr. 1 SGB V elektronisch übermittelt werden, so dass auch aus diesem Grund aufgrund der bloßen Aushändigung einer solchen Bescheinigung keine weitergehenden Rückschlüsse gezogen werden könnten.

Als Laie könnte man meinen, eigentlich wäre die Rechtslage ab 01.01.2021 eindeutig – aber, und dies ist kein Einzelfall, die Krankenkassen wollen es trotzdem noch einmal ausdrücklich vom BSG bestätigt wissen. Für die Betroffenen immer wieder ärgerlich, wenn sie so lange auf ihr Recht warten müssen.

Constanze Würfel
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

Zurück