Hürden rund um den Unterhaltsvorschuss

Leistet ein Elternteil für ein minderjähriges Kind keinen (ausreichenden) Unterhalt, springt der Staat nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ein. Eine Mutter kann allerdings der Unterhaltsvorschuss für ihre Kinder versagt werden, wenn sie nicht dabei mitwirkt, die Identität des Kindesvaters zu ermitteln.

Dazu gibt es eine interessante Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Rheinland-Pfalz (Urteil v. 24.9.2018, 7 A 10300/18).

Eine junge Frau wurde nach einem One-Night-Stand mit einem ihr fremden Mann nach einer Faschingsfeier in einem Brauhaus schwanger. Auch als sie ihre Schwangerschaft bemerkte, unternahm sie nichts, um die Identität des Mannes zu ermitteln. Nach der Geburt von Zwillingen beantragte sie die Zahlung von Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz  (UhVorschG). Die zuständige Behörde forderte die Kindesmutter auf, den Namen und die Identität des Vaters mitzuteilen. Die Kindesmutter erklärte, den Vater nicht zu kennen. Die Gewährung von Unterhaltsvorschuss wurde daraufhin abgelehnt.

Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob die Ablehnung mit der Begründung, ohne Kenntnis der Identität des Vaters fehle der Behörde die Möglichkeit, den Vater unterhaltsrechtlich in Regress zu nehmen, rechtmäßig war.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage auf Unterhaltsvorschuss ab. Einer Kindesmutter könne der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss versagt werden, wenn sie sich weigere, der Unterhaltsbehörde die nötigen Auskünfte zu erteilen, die zur Feststellung der Vaterschaft erforderlich sind oder sie sich weigert bei der Ermittlung des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken.

Dies gelte auch, wenn eine Frau ohne Verhütungsmittel mit einem unbekannten Mann Geschlechtsverkehr habe und dadurch – möglicherweise ungewollt - eine Situation schafft, in der die spätere Feststellung des Kindesvaters unmöglich wird. In einer solchen Konstellation träfe die Kindesmutter ein vorwerfbares Verschulden daran, dass der Unterhaltspflichtige nicht zur Leistung herangezogen werden könne. Und das Verschulden des Kindesvaters? Der ist ja nicht bekannt – und fein raus…Aus meiner Sicht eine nicht hinnehmbare  Argumentation.

Das OVG Rheinland-Pfalz bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz im Wesentlichen. Eine Kindesmutter sei grundsätzlich verpflichtet, das ihr Zumutbare zu tun, um der Unterhaltsvorschussbehörde die Möglichkeit einzuräumen, den Kindesvater in Regress nehmen zu können. Eine Frau, die feststellt, dass sie schwanger ist und den Vater nicht kennt, müsse umgehend Maßnahmen zur Identitätsfeststellung ergreifen (BVerwG, Urteil v. 16.5.2013, 5 C 28/12). Im konkreten Fall hätte die Kindesmutter, nachdem sie die Schwangerschaft bemerkt habe, unverzüglich das Brauhaus aufsuchen müssen und bei Mitarbeitern oder bei ihr bekannten anderen Gästen der Tanzveranstaltung nachfragen müssen, wer sich an ihren Tanzpartner noch erinnere oder diesen kenne. Hier kommt es also darauf an, was man vorträgt…

Der Senat stellte allerdings auch ausdrücklich klar, dass er entgegen der Ansicht des Niedersächsischen OVG ( Beschluss v. 16.1.2014, 4 LA 3/14) die Auffassung vertritt, dass der Anspruch auf Zahlung von Unterhaltsvorschuss nicht in allen Fällen ausgeschlossen ist, in denen der alleinstehende Elternteil die prekäre Lage durch anonymen Sex selbst herbeigeführt hat. Ein Ausschluss des Anspruchs auf Zahlung von Unterhaltsvorschuss komme nur in Betracht, wenn die Kindesmutter absichtlich schwanger werde und dabei die Absicht der  Identitätsverschleierung des Vaters habe oder wenn - wie im anhängigen Fall - die Schwangerschaft unabsichtlich eintritt und die Kindesmutter ihren zumutbaren Mitwirkungspflichten zur Feststellung der Identität des Erzeugers nicht nachkomme. In allen anderen Fällen einer nicht feststellbaren Erzeugeridentität bestehe der Anspruch auf Leistungen nach dem UVG.  Na immerhin ! Zumindest unterblieb hier eine wertende Auslegung.

Immer wieder gibt es auch darüber Streit, ob es sich bei den Bescheiden, mit denen Unterhaltsvorschuss festgesetzt wird, um sogenannte Dauerverwaltungsakte handelt. Häufig steht in den Bescheiden: “ Ab 01.01.20xx werden für das Kinde xxxxx Leistungen nach dem UhVorschG in Höhe von monatlich 250 EUR bewilligt.“ Das Sächsische OVG hat in einer aktuellen Entscheidung vom 04.09.2024 (Az.: 5 A 456/22) klargestellt, dass diese Formulierung nach dem objektiven Empfängerhorizont auf eine Hilfegewährung bis auf Weiteres gerichtet ist.  Fehle eine ausdrückliche Befristung könne der
Empfänger eine weitere Zahlung für die Folgemonate ohne erneute Prüfung und Bewilligung erwarten (so auch bereits SächsOVG, Urt. V.24.05.2023 – 5 A 590721).

Dies hat wichtige rechtliche Folgen. Will die Behörde bsp.weise die Bewilligung von Unterhaltsvorschuss wegen fehlender Mitwirkung der Mutter aufheben, muss sie die Bescheide mit Dauerwirkung zurücknehmen und dabei ihr Ermessen ausüben muss. Auch die gesetzlichen Fristen in § 45 SGB X sind zu beachten.  Ist dem Rücknahme- oder Einstellungsbescheid kein Ermessen zu entnehmen, ist dieser Bescheid rechtswidrig.

Bei allem Verständnis dafür, dass steuerfinanzierte Leistungen an bestimmte Mitwirkungspflichten der Hilfebedürftigen geknüpft werden, dürfen meines Erachtens die Hürden für die Mütter nicht überspannt werden. Denn sie tragen die Kinder der Väter aus, die sich der Unterhaltspflicht – aus welchen Gründen auch immer - entziehen.  Letztlich geht es um das wohl der Kinder.

 

Constanze Würfel

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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