Kostenerstattungspflicht für neue Behandlungsmethoden im Rahmen einer stationären oder ambulanten Behandlung
Immer wieder wird gesetzlich Krankenversicherten eine dringend notwendige Behandlung vorenthalten, weil es zwischen Krankenhaus und Krankenkasse Streit hinsichtlich der Kostenübernahme gibt.
Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlungen einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Voraussetzung ist, dass die stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist.
Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die Behandlung muss den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich machen. Besondere Mittel des Krankenhauses sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt.
Die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist von den behandelnden Ärzten umfassend zu begründen und ggf. gegenüber der Krankenkasse zu verteidigen.
Auch neuartige Behandlungsverfahren bedürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung keiner besonderen Zulassung und sind nur dann ausgeschlossen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat. Eine positive Empfehlung des G-BA ist – anders als im ambulanten Sektor - nicht erforderlich. Es war nicht die Intension des Gesetzgebers das Risiko der Vergütung einer Krankenhausleistung auf den Patienten abzuwälzen.
Grundsätzlich sind die Krankenhäuser nicht verpflichtet, für eine neuartige Behandlungsmethode eine vorherige Zustimmung bzw. eine Erlaubnis der Krankenkasse einzuholen. Vertreten die Ärzte die Auffassung, dass eine konkrete Behandlung im Krankenhaus erforderlich ist, dann hat der versicherte auch Anspruch auf diese Leistung. Häufig kommt es aber zwischen Krankenhaus und Krankenkasse im Nachgang zum Streit, ob diese Behandlung von der Krankenversicherung vergütet wird. Die Krankenkasse wendet ein, die Behandlung sei medizinisch nicht notwendig gewesen oder gehöre nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Da die Krankenhäuser wie ein Unternehmen wirtschaftlich agieren müssen, scheuen sie dieses Kostenrisiko – zu Lasten des Versicherten. Hier wünscht sich mancher Versicherte eine bessere und ehrlichere Kommunikation.
Besonders dann, wenn es sich um die Behandlung einer zum Tode führende Erkrankung handelt, die geeignet ist, das Leben des Versicherten zu verlängern und für die es keine Alternative gibt, ist dieser Konflikt für den Versicherten bitter.
Für den ambulanten Bereich hat der sogenannte Nikolausbeschluss des BVerfG v. 6.12.2005 für einen Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse Kriterien aufgestellt:
Danach besteht ein Kostenerstattungsanspruch bei einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die keine Empfehlung des G-BA vorliegt, wenn folgende 3 Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
- es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor,
- bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung,
- bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Rechtlich durchsetzen lässt sich der Anspruch eines Versicherten in diesen Fällen meist nur über einen einstweiligen Rechtsschutzantrag. Erfolgversprechend ist dieser nur, wenn die behandelnden Ärzte das Vorliegen der Voraussetzungen nach dem Nikolausbeschluss begründen können. Juristen und Mediziner sind hier als kooperierende Partner im Interesse der Versicherten gefragt.
Constanze Würfel Rechtsanwältin