Merkzeichen aG - Gehunfähigkeit im öffentlichen Verkehrsraum ist maßgeblich für die Nutzung von Behindertenparkplätzen

Ein Schüler ist in der Schülerunfallversicherung versichert, wenn er beim Bahnsurfen auf dem Heimweg von der Schule einen Stromschlag erleidet. Dies hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts  am 30.03.2023 entschieden (Aktenzeichen B 2 U 3/21 R).

Nein, Sie haben sich nicht verhört – beim Bahnsurfen !! Auch ich als berufserfahrene Sozialrechtlerin staunte über diese Entscheidung des obersten Sozialgerichtes nicht schlecht.

Der damals knapp 16jährige Kläger war Gymnasiast und bestieg nach Schulende den Regionalexpress, um nach Hause zu fahren. Während der Fahrt öffnete er die verschlossene Durchgangstür des letzten Waggons mit einem mitgeführten Vierkantschlüssel und stieg auf die dahinterliegende, den Zug schiebende Lok. Auf dem Dach erlitt er einen Starkstromschlag aus der Oberleitung und stürzte brennend von der Lok. Er überlebte schwer verletzt und zog sich unter anderem hochgradige Verbrennungen zu.

Ohne Frage, ein sehr tragischer Unfall.

Das Bundessozialgericht hat einen Wegeunfall festgestellt und damit anders als die Vorinstanz Versicherungsschutz des Klägers in der Schülerunfallversicherung bestätigt. Schüler sind bei spielerischen Betätigungen im Rahmen schülergruppendynamischer Prozesse unfallversichert. Auch im Falle des Klägers ging es darum, im befreundeten Schülerkreis „cool“ zu sein. Die von ihm selbst geschaffene Gefahr schließe den Unfallversicherungsschutz nicht aus. Angesichts wiederholt erfolgreicher Surfaktionen stehe vielmehr fest, dass die dabei erworbene Sorglosigkeit zu einer massiven alterstypischen Selbstüberschätzung führte.

Bereits 2020 hatte sich das BSG hinter den Spieltrieb von jungen Menschen gestellt und eine Teilnehmerin an einem FSJ-Seminar, die sich bei der Nutzung eines Hüpfkissens nach dem Seminar verletzte auch unter den gesetzlichen Unfallversicherungsschirm gestellt.

Wesentlich strenger sind die BSG-Richter ansonsten bei Wegeunfällen. So steht bsp.weise der Rückweg vom Kindergarten der Tochter zum häuslichen Telearbeitsplatz nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch im immer beliebter werdenden Homeoffice ist es faktisch unmöglich, einen Arbeits-oder Wegeunfall zu erleiden.

An manchen Stellen ist unsere Rechtsprechung eben doch erstaunlich kinder- und jugendfreundlich. Ich wünschte mir das für viele andere Bereiche auch!

Constanze Würfel

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

 

 

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