Wer ist bei einer 6 monatigen stationären Drogentherapie für den Lebensunterhalt zuständig – das Jobcenter oder das Sozialamt?

Diese Frage hatte im Januar letzten Jahres das Hessische Landessozialgericht zu entscheiden.

Der 1973 geborene drogenabhängige Kläger K. absolvierte im Mai 2009 eine 4-wöchige Entgiftung. Danach war er nahtlos für 6 Monate (Juni bis Dezember 2009) stationär in einer Übergangseinrichtung für Suchtmittelabhängige untergebracht, in der die Patienten nach einer Entgiftung die weitere Perspektive planen und sich auf eine Therapie vorbereiten können.

Daran schloss sich nahtlos eine stationäre Langzeittherapie in einer Fachklinik an. Die Deutsche Rentenversicherung hatte K. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für 26 Wochen bewilligt.

Im Januar 2010 stellte K. beim Jobcenter einen Antrag auf SGB II Leistungen. Dieser wurde abgelehnt. Er sei länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht.

Das Hessisches LSG bestätigte diese Ablehnung in seiner Entscheidung vom 21.01.2015, Az.: L 6 AS 361/12. K habe keinen Anspruch auf SGB II Leistungen, der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II greife (Unterbringung in einer stationären Einrichtung). K erhalte SGB XII Leistungen, da für den Zeitraum der stationären Unterbringung Erwerbsunfähigkeit unterstellt werde.

Nach § 7 Abs.4 Satz 3 SGB II erhält trotz stationärer Unterbringung SGB II Leistungen, wer voraussichtlich für weniger als 6 Monate in einem Krankenhaus (oder einer anderen stationären Einrichtung) untergebracht ist.

Hierfür ist eine Prognoseentscheidung zu treffen. Neben der nur knapp 6-monatigen stationären Unterbringung im Fachkrankenhaus war K. zuvor in einer stationären Übergangseinrichtung untergebracht. Auch in dieser Einrichtung war die Unterbringung zentraler Teil der Leistungserbringung. Der Aufenthalt dort sollte einen geschützten Raum für eine weitere Therapieplanung schaffen. Der Träger der Einrichtung musste im Hinblick auf einen drohenden Rückfall in die Suchtmittelabhängigkeit in der Zeit zwischen Entgiftung und Langzeittherapie die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des K. übernehmen.

Daher seien bei der Frage, ob der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs.4 Satz 3 SGB II eingreift, beide nahtlos aufeinander folgende Aufenthalte zusammenzurechnen. Es sind nicht nur die in Zukunft liegenden Zeiten zu berücksichtigen, vorangegangene Aufenthalte in stationären Einrichtungen dürften nicht außer Acht gelassen werden.

Das Hessische LSG vertritt zudem in dieser Entscheidung den Standpunkt, dass auf den Beginn des Aufenthaltes in der stationären Einrichtung und nicht auf den Zeitpunkt der Beantragung von Grundsicherungsleistungen abzustellen ist. Zum Zeitpunkt der Entscheidung müsse für einen SGB II Leistungsanspruch die Prognose dahin gehen, dass – auch unter Berücksichtigung bisheriger Zeiten in stationären Einrichtungen - insgesamt ein Aufenthalt von weniger als 6 Monaten zu erwarten ist.

Das Hessische LSG hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Die Frage, ob bei unmittelbar aufeinander folgenden und inhaltlich im Zusammenhang stehenden Zeiten der stationären Unterbringung in mehreren Einrichtungen bei der Prognose, ob ein 6-monnatiger Klinikaufenthalt zu erwarten ist, auf den Zeitpunkt der Antragsstellung oder den Beginn des Klinikaufenthaltes abzustellen ist, habe grundsätzliche Bedeutung. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage bleibt also spannend.

Letztlich hat die Frage, ob Anspruch auf SGB II oder SGB XII Leistungen besteht, für die Betroffenen praktische Bedeutung. Nach wie vor gibt es Unterschiede in der Leistungshöhe, bei der Einkommensanrechnung etc.

In jedem Fall gilt, dass eine Unterbringung im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens in der Regel nicht als Aufenthalt in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 gilt und daher bei der Ermittlung des 6-Monatszeitraumes bei einer sich anschließenden stationären Drogenentwöhnungstherapie nicht berücksichtigt werden darf.

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht Constanze Würfel

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